Wie so oft im Leben ist Zeitmangel ein ständiger Begleiter des modernen Menschen. Besonders im Urlaub wird dann versucht, ihm zu entkommen - freilich zwecklos. So geschah es, dass man eines schönen Abends in Island erst die Hälfte der geplanten Tagesetappe geschafft hatte und damit in größtmöglicher Entfernung zur Unterkunft immerhin einen äußerst ansprechenden Sonnenuntergang bewundern durfte.
Die Hauptursache war sicherlich, dass bei jedem "Place Of Interest"-Schild ⌘ ein Stopp eingelegt wurde - und derer gibt es auf der Snæfellsnes-Halbinsel durchaus viele. Und das zu Recht. Nach Vulkankratern, Basaltsäulen, blubbernden Quellen und dem unbeschreiblich stinkenden Refugium hunderter brütender Möwen in der Steilküste zeigt ein unscheinbares Schild an der 574 zur "Vatnshellir".
Auch hier wurde das Schild zur Sehenswürdigkeit
dank Tempo 90 erst zu spät entziffert, aber mangels Verkehr kann getrost auf der
Landstraße der Rückwärtsgang eingelegt und zum Parkplatz zurückgezuckelt werden.
Da zuvor keinerlei Informationen über die Höhle
eingeholt wurden, gab man sich im Abendlicht der Entdeckung hin. Zunächst erstaunte
der raketenförmige Aufbau im Einbruchkrater, der augenscheinlich eine mächtige Verschlusseinrichtung
darstellt. Offenbar gibt es hier etwas zu sehen - was sich bei späterer Recherche
auch als durchaus wahr herausstellte. Allerdings war zu der Zeit vor Ort nichts von
alledem bekannt und so kletterte man im festgetreteten Schnee in die zugängliche
Lavaröhre hinab.
Ausgerechnet an diesem Tag wollte man zum zweiten Mal in derselben Unterkunft nächtigen und hatte deswegen das Gepäck mit der Ausrüstung nicht ins Auto geladen. Nur eine kleine Stirnlampe. Keine Ersatzbatterien. Keine Menschenseele. Nachts. Ein mulmiges Gefühl klettert mit.
Wie zu der Jahreszeit üblich zeigten sich viele
Eisformationen im Eingangsbereich im letzten Licht und brachten einen weiteren Farbton
in die sonst schon so bunten, aber eher dunklen Lavaröhren. Immerhin war der Boden
nicht durchgehend vereist und einigermaßen begehbar - keine Selbverständlichkeit.
Mit nur einer, dafür leicht verletzten Blitzsklavin wurde alsbald versucht, den Hohlraum
adäquat zu digitalisieren, kein leichtes Unterfangen mit nur einer Lichtquelle.
Neben dem schon genannten Farbreichtum der Wände
und Gesteine lag das Hauptaugenmerk auf Lava-Stalaktiten und -Stalagmiten. Besonders
letztere sind durch die Art der Höhlenbildung bedingt eher selten, und so konnten auch
hier nur in kleinsten Ritzen Mini-Exemplare gefunden werden. Dafür zeigten sich die
Stalaktiten von ihrer schönsten Seite, in einigen Bereichen scheint sich gelbliches
Material an die Spitzen anzusintern - verblüffend. Sogar einige Lava-Excentriques wurden
entdeckt und fotografiert.
Am Ende des etwa 40m langen Hauptgangs lockt ein
wiederum äußerst bunter Schluf den Neugierigen in seine Tiefen - aber nicht den Urlauber.
Als nach fast eineinhalb Stunden Fotoorgie nicht nur der Kamera-Akku am Ende war,
wurde zügig ausgefahren. Ein wenig durchgefroren konnte schließlich der Weiterweg
in Angriff genommen werden. Natürlich lockten noch weitere POI-Schilder, so dass
man erst zu nachtschlafender Zeit - gerade rechtzeitig für Polarlichtfotografie -
wieder in der minimal zivilisierten Welt in der Nähe der Ringstraße ankam.
Fazit : äußerst angenehme Höhle - und wer sich vorab ein wenig informiert, hätte sich womöglich besonders auf den Schauhöhlenteil gefreut. Dieser ist im Winter allerdings nicht zugänglich.