Es wird hell im Crowne Plaza. Im Flur ertönt Bach. Am Pool
ist die Stimmung gut, und ca. 1000 freundliche Chinesen beginnen einen weiteren Tag
lang zu lächeln. Die fünf Sterne funkeln.
Zwei alte Männer jedoch lächeln nicht - weil sie bereits nach den vier Metern zwischen der Tür und dem Fahrzeug bereits weitgehend durchgeschwitzt sind.
Sobald die Türen des Fahrzeuges ins Schloss gefallen sind, beginnt der Kampf mit einem Harndrang, der an diesem Tage ein bis Dato ungeahntes Ausmass annehmen sollte.
Vier Stunden später - nach einer beispiellosen Irrfahrt
durch Ur- und Regenwälder, überflutete Strassen und achtspurigen Autobahnen, während
derer die Hilfe von genau 8 Polizeiwagen und zahllosen Chinesen am Strassenrand in
Anspruch genommen wurde - fand man sich endlich auf einem einsamen Parkplatz wieder.
Der Harndrang war enorm.
Zunächst keine Hinweise auf ein Loch in der Nähe erkennbar
- nur Hitze. Und Regen. Der allerdings auch eher handwarm. Dann: Ein entscheidener
Hinweis auf ein Bauwerk im traditionell chinesischen retro-stil - d.h. man sieht
dem Gebäude an, es soll so aussehen, als ob es 1000 Jahre alt wäre, ist aber in Wahrheit
ein Jahr alt, und fällt nächste Woche in sich zusammen - in dem sich der Eingang
zum Loch befindet.
Erleichtert stellt man fest, dass bereits im Hof dieses Gebäudes die Temperatur um 15 Grad niedriger ist, als im Freien.
Keine Zeit zu urinieren, denn sofort winkt eine Chinesin, und
schon ist man das Schlusslicht einer ziemlich lauten und schnellen Höhlentouristengruppe.
Schnell zu sein ist wichtig, denn immerhin handelt es sich um die größte Karsthöhle
Nordchinas - einem Gebiet, welches grob der Fläche des echten Europas entspricht.
Kurz können die in der Höhle vorherrschenden 14 Grad genossen werden - allerdings leider nur sehr kurz, denn nach den ersten Stufen, entpuppt sich die eigens für den Trip angeschaffte atmungsaktive Gore-Tex Jacke aus chinesischer Produktion als garantiert nicht atmungsaktive Nicht-Gore-Tex Jacke. Zumindest das Produktionsland dürfte der Wahrheit entsprochen haben.
Obwohl der Harndrang nach weiteren 30 Minuten bereits apokalyptische
Dimensionen angenommen hat, wurde das im Loch bereitgestellte WC
nicht in Anspruch genommen. Stattdessen immer weiter ins Loch. Tiefer und Tiefer.
Nach den beiden Bootsfahrten, lag die Jacke vermehrt unbeachtet im Dreck und sonderte vermutlich vielerlei gifitige Substanzen ab. Hier konnten einige Tropfsteine und sogar ein paar Excentrics und Kristalle ohne bunte Beleuchtung fotografiert werden. Nur die Hauptattraktion im Loch - der Silberfuchs - wiedersetzte sich allen Ablichtversuchen recht standhaft. Fettverschmiertes Glass duldet keine Kameras.
Der harndrangbedingten Bewußtlosigkeit sehr nahe, näherte
man sich einem kleinen Zug, in dessen noch kleineren Segmenten jeweils vier Chinesen
verschwanden. Die beiden Europäer wurden zusammen in ein extra Segment geschoben
und hatten dort - obwohl nur zu zweit - platzbedingt Probleme beim Atmen.
Die Hoffnung, sich bald seiner 7 überflüssigen Liter Warmwasser entledigen zu können, wurde jäh enttäuscht, als das Züglein stehenblieb, und ersichtlich wurde, dass vor dem Urinieren erst - grob geschätzt - unendlich viele Stufen nach oben überwunden werden mussten.
Oben angekommen konnte dem Chinesen wild gestikulierend verständlich
gemacht werden, dass sich das zahlenmäßige Verhältniss weiss/gelb sehr bald noch
mehr zu seinen gunsten verändern wird, sollte es uns weiterhin unmöglich gemacht
werden, uns Erleichterung zu verschaffen.
Schnell ins vorgekühlte Fahrzeug, 50 Meter bergab, und danach fränkisch brunzen. 10 Minuten lang.