Mein erster Kontakt zum unheimlichen CaveSeeker - aus der Perspektive eines Aspiranten
Nachdem der Autor dieses Artikels bereits einen ersten erbärmlichen Selbstversuch im Silberloch und der Klausenhöhle ohne Unterstützung durch erfahrene Höhlenmenschen unternommen hatte - dieser Versuch wurde umgehend mit einer Erkältung bestraft - wurde schnell klar, dass für weiteres Vordringen in dunkle Löcher wohl oder übel der Anschluss an Spezialisten nötig ist.
Das vermutlich durch den Transfer höherer Schmiergeldsummen erkaufte Suchmaschinen- Top-Ranking führte schnell in die Fänge der CaveSeekers. Keine Frage, das Studium der zahlreichen Missionsbeschreibungen ließ starke Zweifel am psychischen wie physischen Wohlbefinden dieser Menschen aufkommen. Genau die Art von Menschen also, unter denen der Autor unauffällig mitschwimmen könnte. Also kurzerhand das Kontaktformular ausgefüllt, und siehe da - bereits nach wenigen Stunden eine Antwort in Form einer Einladung zum nächsten Arbeitseinsatz. Richtig, hier wurde nicht lange nach Bewerbungsunterlagen, Religionszugehörigkeit und Kontostand gefragt, sondern unmittelbar zur Missionsteilnahme vorgeladen. Wenn sich der frisch rekrutierte Sklave sogar noch mit einem Kasten Bier dafür bedankt, dass er sich dreckig machen darf, ist er umso herzlicher willkommen.
Um als Neuling nicht unangenehm aufzufallen, bemühe man sich um eine angepasste Zeitplanung. Eine halbe Stunde Verspätung ist eindeutig zu knapp bemessen - erst einer von fünf Einsatzwägen war vor Ort. Nachdem weitere wertlose Arbeitszeit verwartet war, trafen endlich weisungsbefugte Personen ein und verteilten Arbeitsaufträge. Obwohl als offene Gemeinschaft NICHT dazu verpflichtet, unterwerfen sich die Caveseekers freiwillig dem Gesetz zur Gleichbehandlung am Arbeitspplatz (§1 AGG) und konnten bei dieser Mission mit einer Frauenquote von 29% und einer Hundequote von immerhin 7% glänzen. Wäre es nach Gewicht gegangen, hätte sich die Hundequote auf ca. 30% verbessert. Mit dem Argument der fortgeschrittenen Altersschwäche fungierte Herr Wipplinger vorwiegend als Stuhlbeschwerer und erhob sich nur widerwillig, um den Fortgang der Bauarbeiten zu kontrollieren. Die Übrigen gaben ihr Bestes - und das ist nicht viel - um dem Tagesziel ein Stück näher zu kommen. Motivation war vermutlich die Aufbesserung des persönlichen Caveseekers-Punktestands, dessen Bedeutsamkeit mehrmals hervorgehoben wurde, ohne aber durch griffige Argumente für den Außenstehenden verständlich gemacht zu werden.
Unterdessen stellten der Autor und der mittlerweile eingetroffene Herr Härtl fest, dass sie seit mehreren Jahren beim selben Megakonzern im selben Gebäude arbeiten, getreu der vorherrschenden Firmenphilosophie aber bisher völlig aneinander vorbeigelebt hatten. Als Teambuildingmaßnahme wurden unter dem fragwürdigen Motto "ohne Geld macht Arbeit eh mehr Spaß" Steine geklopft, bis Herr Härtl endlich die erlösende Idee hatte: eine kleine Abkühlung im Höhleninneren bei angenehmen 7 Grad. Das Baumarktequipment wurde kurzerhand gegen die freundlicherweise von Herrn Wipplinger gestellte Leihausrüstung getauscht. Von den zahlreichen Löchern im Leihschlaz sollte man sich übrigens nicht täuschen lassen: es handelt sich hierbei keineswegs um eine alte, ausgemusterte Klamotte, sondern um den hippen Style des Herrn Wipplinger, wie er selbst durch Tragen einer mit großzügigen Löchern an allerlei intimen Stellen durchsetzten kurzen Hose bewies.
Unter der fürsorglichen, fast mütterlichen Obhut des Herrn Härtl wurde also in die oberpfälzer Unterwelt abgetaucht, um die Nervenstärke an den zahlreichen Schlufen auf die Probe zu stellen. Die Durchquerung des sehr niedrigen, immerhin aber breiten "Kohlenkellers" war erst ein Vorgeschmack auf die noch folgenden Engstellen. Diese wurden zusehends enger, verwinkelter und steiler. Echtes Höhlenfeeling! Die aus Angst vor einer weiteren Erkältung gewählte vierlagige Bekleidung des Caveseeker-Anwärters bestehend aus T-Shirt, Pullover, Overall und Schlaz stellte sich als fataler Fehler heraus - es kam zu permanenten Überhitzungen. Ein Blick auf den durchschnittlichen Höhlenforscher legt die Vermutung nahe, dass für das Befahren von Höhlen eine nur sehr geringe Hirnleistung nötig - wenn nicht sogar von Vorteil - ist. Um so erstaunlicher war die Erfahrung, dass es auch unter dem Helm zu Hitzestaus kam, so dass mehrere Abkühlpausen in den kleinen Kammern nötig waren.
Diese Pausen wurden von den erfahrenen Forschern genutzt, um in Gegenwart des Neulings über die akute Einsturzgefahr in der gesamten Höhle zu spekulieren. Dies wurde eindrucksvoll untermauert, indem einer der wenigen verbliebenen Haltepunkte eines geschätzt 180 Tonnen schweren Felsblocks mit bloßer Hand entfernt wurde, während man unter selbigem saß. Learning by doing.
Tipp: um nicht in Panik auszubrechen, einfach an etwas Schönes denken, beispielsweise an die letzte Folge des Musikantenstadels. Trotz allem konnte das Loch lebend und aus eigener Kraft verlassen werden.
Mit Entzücken wurde das mittlerweile aufgezogene Unwetter wahrgenommen - schaffte es doch nicht nur die ersehnte Abkühlung, sondern ließ auch die Hoffnung keimen, dass das Steineklopfen für diesen Tag ein Ende haben könnte. Die Hoffnung wurde erfüllt.
Was zurück blieb war ein saftiger Muskelkater und - auch diesmal wieder eine Erkältung. Und Erkältungen sind bekanntlich ansteckend...