9:00 Uhr, CaveSeekers Lager im slowenischen Karst: Dem Sinter bereits völlig überdrüssig hockt man um die erkaltete Feuerstelle. Gänzlich unerwartet wird plötzlich das Geräusch eines sich nähernden Fahrzeuges wahrgenommen. Schon sehen sich die drei Abenteurer von zwei einheimischen Muskelpaketen umstellt. Es kommt zunächst zu einem kurzen Wortgefecht, welches auf der einen Seite auf Deutsch und auf der anderen Seite auf Slowenisch ausgetragen wirde. Ein wenig erhellender und ungleicher Kampf. Der Versuch, den Konflikt auf Englisch weiterzuführen, scheitert ebenfalls. Ausweglos. Erst als einer der beiden den Kofferraum des Caddys zuklappt und das liebgewonnene Deutsche Nummernschild erblickt, ist die Stimmung schlagartig bestens.
Der Tag hatte also durchaus ansprechend begonnen. Doch schon bei der Abfahrt aus dem Basislager machten die Navigatoren einen entscheidenen Fehler: Sie instruierten Herrn Wipplinger, rechts abzubiegen und versäumten mit Handzeichen dem Wort "rechts" entsprechende Bedeutung zu verleihen. Schließlich war schon seit längerer Zeit bekannt, dass Herr Wipplinger mit derart profanen Anweisungen nichts anzufangen weiß und daher vermutlich aus Fleiß links und rechts stets vertauscht. So bog man also links Richtung Süden ab - selbst lautstarke Aufforderungen zur Umkehr wurden mit "schaumermal" und "dakannichnedumdrehen" abgeschmettert.
Angetan von der landschaftlichen Idylle des slowenisch-italienischen Grenzgebiets verstummten die Kritiker bald und so fuhr man weiter. Nach 30 Minuten (!) Feldweg hatte man schließlich die Grenze passiert und fand sich in einem italienischen Städtchen wieder - selbstverständlich direkt im Stau. Nun galt es wieder Nerven zu bewahren und dann über einen weiteren Umweg zur Autobahn zu gelangen - um die gesamte Strecke wieder zurückzufahren. Schließlich wollte man ja nach Norden.
Endlich an der Autobahn angekommen musste Herr Wipplinger wieder mit Händen und Füßen von den angesagten Richtungen überzeugt werden, schließlich musste ein Autobahndreieck und eine Ausfahrt gemeistert werden - Herausforderungen, an denen normale Menschen gewöhnlich scheitern. Dann der Supergau: man befand sich nach 45min Fahrt wieder nahe der slowenischen Grenze, auf dem "Autoporto Fernetti". Panik machte sich breit ob der Ahnungslosigkeit und der vermuteten Verschiffung des Fahrzeuges samt Besatzung in die Türkei. Kurzzeitig zog es den einen oder anderen zurück ins 3.38km (!) entfernte Basislager.
Doch Herr Wipplinger konnte zur Weiterfahrt ermuntert werden, man wagte sich im Schritttempo in die Anlage hinein und unerwarteterweise deutete ein Schild die Ausfahrt auf die ersehnte Landstraße an. Erleichtert näherte man sich nun dem auserwählten Loch, so gut es mit einem Caddy eben möglich ist. Die optimal kurze Entfernung konnte natürlich nur mit mehrmaligem Rangieren und Umparken erreicht werden, wobei man letztendlich dort stand, wo man auch schon im ersten Anlauf geparkt hatte.
Das weitere Drama nahm seinen Lauf: nachdem man seine sieben Sachen gepackt hatte, wurde zu den angegebenen Koordinaten marschiert. Herr Wipplinger machte Bekanntschaft mit langen italienischen Dornen, die kaum aus der Haut zu entfernen waren. Dann Ernüchterung an den Koordinaten: kein Loch zu sehen. Herr Wolfram stieg in eine benachbarte Doline ab und entdeckte einen engen Schacht. Das Seil wurde eingebaut, eingeschlazt und Herr Wolfram drängte mit Macht ins Dunkel.
Gerade noch in Rufweite erklärte er das Ende des Schachts und musste wieder aufsteigen. Ein zuvor von Herr Seeleitner entdeckter kleiner Schacht mitten in der Wiese wurde von Herr Wipplinger von seiner leichten Tarnung befreit und befahren - bis zu den Schultern. Dann wurde es zu eng und auch das vollständig abgelegte SRT-Material verschaffte nicht den gewünschten Freiraum. Die Herren Wolfram und Seeleitner zogen mit einem sportlichen Ruck Herrn Wipplinger aus dem Loch und man überlegte schwitzend und demotiviert, wie weiter zu verfahren sei. Die zuvor am Auto in denkbar langwierigen Diskussionen ausgewählten Löcher wurden neu erörtert, Zettel mit Koordinaten herumgereicht und man entschied die Grotta Sercetova heimzusuchen, um dort mal richtig Druck zu machen.
Auf dem Weg zu den neuen Koordinaten musste vorsichtig vorgegangen werden, überall fanden sich weitere schmale Schächte im Boden, die durch das lange Gras kaum zu sehen waren. Wieder behauptete das GPS, man hätte das Ziel erreicht, doch es war kein Loch zu sehen. Nach längerer Suche entdeckte Herr Wipplinger in einiger Entfernung den Schachtzugang und begann sogleich abzuklettern. Herr Wolfram und Herr Seeleitner machten sich hingegen auf die Suche nach dem im Plan eingezeichneten großvolumigen und angenehmeren Zugang. Herr Wolfram meldete bald Erfolg und man versammelte sich endlich am Eingangsportal der Höhle. Verstrichene Zeit: 2 Stunden, 30 Minuten - Entfernung vom Basislager: 4.49km.
Ungeduldig wurde eingeschlazt und - vermutlich wegen der Hitze - ohne auf andere Kameraden zu warten ins Loch eingewandert. Oder migriert. Erst an der Mauer , etwa 30m nach dem Eingang, traf man sich wieder. Die Höhe wurde taxiert und von weiter hinten als ziemlich hoch eingestuft, während Herr Wipplinger schon an der brüchigen Kante stand und einfachste Kletterei prophezeite. Trotzdem baute er freundlicherweise - und sogar korrekt - ein kurzes Seil ein, kletterte dann aber ohne selbiges ab. Herr Wolfram folgte, nahm das Seil hin und wieder zu Hilfe und schließlich schritt auch Herr Seeleitner zur Tat und seilte sich unter höhnischen Kommentaren ab. Der schwierigste Teil der Befahrung war damit gemeistert und man sah sich in der großräumigen Halle um.
Neben Autoreifen und anderem Müll zeigte der Boden wenig erfreuliches und auch die Wände wurden offenbar schon oft mit Notizzetteln verwechselt. Zwischen den unzähligen Schmierereien blitzten allerdings große und schöne Tropfsteine auf, einige davon sogar "am Leben". Man begann im rechten Bereich mit den Fotos und arbeitete sich zurück zur Mitte. Im linken Teil konnte man über italienisch hochgestapelte und wackelnde Gesteinsbrocken in einen kleinen Seitenast aufklettern, der mit weiterem Sinter aufwartete. Wie schon knapp angedeutet, war die Motivation nach dieser Vorgeschichte tendenziell schwach ausgeprägt und dass man tags zuvor eine besonders schöne Höhle besucht hatte, war insofern zusätzlich kontraproduktiv, als dass man sich schwer tat, sich an den Tropfsteinformationen groß zu erfreuen. So spulte man unter Dauernörgeln seine Routine ab, lichtete "langweiligen Arschlochsinter" ab und war generell schlecht gelaunt. Besserung stellt sich erst ein, als Wetten abgeschlossen wurden, ob Herr Seeleitner an der Mauer ins Seil stürzen würde oder ob er die einfache Kletters telle ohne die italienische Höhlenrettung würde schaffen können. Immerhin hatte er einen Blitz dabei und man konnte sich nach seiner unfallfreien Ankunft auf der Mauerkrone zu einem letzten Großraumfoto aufraffen. Als man schließlich wieder am Ausgang angekommen war, konnte man doch einige respektable Fotos vorweisen.
Der troglophile Leser mag hier getrost abbrechen, es folgen keine weiteren Erfolgsmeldungen. Im Gegenteil. Die schlimme Anfahrt wurde von noch einer schlimmeren Rückfahrt in den Schatten gestellt. Unglaublich eigentlich. Doch der Reihe nach.
Der Nachmittag war zwar nicht mehr ganz jung, die Motivation auch schon über alle Berge, aber trotzdem überredete Herr Wipplinger den kläglichen Rest zu einem weiteren Loch. Mit Hilfe des GPS-Geräts wurde eine angeblich benachbarte Höhle ausgemacht und losmarschiert. Und wieder fiel man auf den Italiener herein - es war kein Eingang in der Umgebung des Ziels zu finden. Man schwärmte aus, suchte halbherzig gefühlte vier Hektar ab, traf sich dann mutlos am Rand einer großen Doline und legte zunächst eine Pause ein. Wieder lag es an Herr Wipplinger, die schweigende Mannschaft mit Gummibärchen zu weiteren Taten zu motivieren. Schließlich wurde Herrn Seeleitner unterstellt, das GPS-Gerät nicht bedienen zu können und Herr Wipplinger nahm die Navigation zu einem weiteren Loch nun selbst in die Hand. Man stolperte zur Bahnlinie, folgte den Gleisen einige hundert Meter, sah viel zu hohen Stacheldraht, wählte eine neue Höhle als Ziel, überkletterte einen Zaun und näherte sich wiederum einer Doline. Erwartungsgemäß war keine Höhle zu sehen, Herr Seeleitner warf sich nun restlos demotiviert den jetzt ausschwärmenden Mücken zum Fraß vor, während die Herren Wipplinger und Wolfram mit einem letzten Rest Hoffnung einen Eingang suchten. Ein kleiner Schluf wurde ausfindig gemacht und diesmal war Herr Seeleitner an der Reihe zu entdecken, dass nach 3m Schluss ist. So hatte jeder sein Misserfolgserlebnis und man konnte endlich, komplett ausgelaugt, zum Auto zurückkehren.
Um 17:15 fuhr man ab und entschied sich noch einen kurzen Abstecher nach Triest zu machen, um zumindest einmal im Leben das Meer aus nächster Nähe gesehen zu haben. So richtig kurz wurde der Abstecher jedoch nicht, erst nach über vier Stunden mit allerschlimmsten Erlebnissen war man zurück am Basislager:
Der folgende Part mag übertrieben formuliert erscheinen, die Wahrheit spottet allerdings jeder Beschreibung. Der Autor versucht hier, das Geschehene irgendwie zu verarbeiten, auch wenn zu befürchten ist, dass dies noch lange Zeit dauern wird.
Zunächst wollte ein Weg ans Meer gefunden werden. Die Kombination "Wipplinger am Steuer" und "italienische Straßenführung" stellte sich dabei als katastrophal heraus. Der Italiener baut gerne viele Straßen parallel nebeneinander, die dann extrem verschlungen, in möglichst vielen Über- und Unterführungen ineinander übergehen - oder eben auch nicht. Hat man am GPS oder altmodisch anhand der Schilder den korrekten Weg entdeckt, muss noch Herr Wipplinger darüber in Kenntnis gesetzt werden - hier ergeben sich größere Reibungsverluste. Wie eingangs erwähnt haben Navigatoren und Kraftwagenführer zumeist unterschiedliche Auffassungen von "links" und "rechts" und so kam es unzählige Male zu "in letzter Sekunde noch rüberziehen" Aktionen - interessant, dass man nach etwa 5 solcher Manöver schon abgestumpft ist und keinerlei Angst mehr verspürt, wenn man im vollbeladenen Kleinwagen bei 80km/h Haken schlägt und 5cm von der Leitplanke entfernt vorbeizischt.
Nähert man sich Triest, nimmt die Absurdität der Schilder exponentiell zu. So folgte man einem Einheimischen in eine Straße mit "Einfahrt verboten", vermutete schon in eine Einbahnstraße abgebogen zu sein, um dann verwundert an einer Ampel zu stehen. Wieder Verbotsschilder, doch kein Sinn, also weiter. Triest selbst ist bekanntermaßen ein Einbahnstraßen-Eldorado und wir überspringen der Einfachkeit halber den folgenden Teil, bis wir endlich an der Küstenstraße ankommen. Ein neues schlimmes Kapitel "Wipplinger und das Einparken" wurde geöffnet.
Samstag, früher Abend, bestes Wetter - Menschenmassen und Staus - überall. Man suchte einen Parkplatz, um ans Wasser zu gelangen. Obwohl man meist nur Schrittgeschwindigkeit fuhr und an zig Parkplätzen von heimfahrenden Italienern vorbeikam, zeigte sich Herr Wipplinger sehr wählerisch und beratungsresistent. Nachdem man knappe zwei Kilometer entlanggeschlichen war, schon aufgegeben hatte auf Parkplätze hinzuweisen und innerlich sowieso schon lange resigniert hatte, erkannte Herr Wipplinger in einem Geistesblitz eine LKW-große Lücke und parkte unvermittelt ein. Die Stimmung war ob der absurden Leistung erstaunlich positiv und man konnte sich auf der Betonpromenade kurze Zeit entspannen. Es wurden die beiden Wünsche "Abendessen" und "Einkaufen" geäußert - die Garantie für weitere Stunden Fahrspaß nahe am Nervenzusammenbruch.
Man möchte meinen, es sei eine Kleinigkeit, in einer italienischen Großstadt eine Pizzeria zu finden. Doch auch hier dauerte es geraume Zeit, im Einbahnstraßendschungel bei wählerischer Einstellung eine genehme Gaststätte auszumachen. Herr Seeleitner entdeckte schließlich ein Schild, dem aus unbekannten Gründen keine Absage erteilt wurde. Man scheiterte fast bei der Auswahl eines Parkplatzes, die im Überfluss vorhanden waren, parkte kompliziert ein und begab sich ins Lokal. Da man in Italien offenbar das zwanzigste Lebensjahr erreichen kann, ohne jemals einen Brocken Englisch gesprochen oder gehört zu haben, erwies sich die Verständigung als kompliziert - aber hübsch.
Auf der gemischtgeschlechtlichen Toilette kamen die CaveSeekers zum ersten Mal seit 60 Stunden und drei Höhlen mit fließendem Wasser in Berührung - ein schönes Erlebnis. Auch das Essen überraschte positiv und so fasste man neuen Mut und beschloss im Anschluss noch zur Grotta Nemec zu fahren.
Wieder machten die Navigatoren einen Fehler und muteten Herrn Wipplinger zu, selbständig den gleichen Weg aus Triest zu fahren, wie man hineingefahren war. So musste man längere Zeit warten, bis eine ansprechende Stelle zum Wenden gefunden war und man versuchte durch wildes Gestikulieren die Worte "links" und "rechts" in verständliche Befehle umzuwandeln. In einiger Entfernung war plötzlich ein Supermarkt zu sehen und erneut wurde der Wunsch des Einkaufens geäußert. Herr Wipplinger bewertete die Parksituation jedoch als unzureichend und fuhr vorbei. Einem mit gewisser Ernsthaftigkeit ausgesprochenem Machtwort folgend wurde gewendet und unter Nörgelei direkt vor dem Supermarkt geparkt.
Als nun alle Gelüste befriedigt waren, sah man der Fahrt zur Grotta Nemec gelassen entgegen, obwohl jedem klar war, auf was er sich da eingelassen hatte.
Nach vielen Irrfahrten, mehrmaligem Wenden, links-rechts-Problemen und jeder Menge Gerhard Polt näherte man sich dem Zielgebiet. Eine weitere Einbahnstraße verhinderte nur kurz das Vordringen mit dem Auto. Man entschied sich trotzdem etwas abseits zu parken und stapfte mit Beleuchtung durchs Wohngebiet Richtung Doline. Als ausgewiesene Horizontalhöhle überraschte uns der Eingang mit einem tiefen Schacht, dessen Boden nicht zu sehen war. Bohrhaken mit Laschen am Einstieg ließen bei Herrn Wipplinger das Herz höher schlagen und man war kurz davor, noch eine Nachtmission anzuberaumen. Doch die Vernunft siegte und man fuhr direkt (!) zurück ins slowenische Basislager.
A ber erst, als Herrn Konopac per Telefon glaubhaft vermittelt werden konnte, man sei auf der Flucht vor der Polizei.