Zunächst ist der Spalt, durch den sich der Autor soeben abseilt, noch relativ übersichtlich. Nach oben hin überstreicht der Strahl der Scurion in ca. 10 Meter Entfernung dessen oberes Ende. Das Seil liegt am Fels auf, hinter dem Hinterkopf sind noch 50cm bis zur rückwärtigen Wand des Spalts. Nach unten verliert sich der Lichtstrahl im Dunkel. Soweit alles Normal. Also folgt man den zwei 130 Meter langen Seilen nach unten. Die Stimmung zunächst noch gut, der Petlz Stop funktioniert nicht schlechter als sonst, es geht abwärts.
Nach zwei Minuten und ca. 40 Meter tiefer ist jede Kommunikation zur Kameradschaft abgebrochen. Die "Decke" des Spalts ist schon lange ausser Sicht, die Rückwand inzwischen auch - macht aber nichts, denn schließlich liegt das Seil noch immer an der Wand an - man hat Kontakt zum Fels. Ein wenig Sinter ist auch schon zu erkennen - aber nur für den, der gelassen genug ist, um auch tatsächlich hinzuschauen. Der Stop hat sich inzwischen zu einem echten Problem entwickelt: Das Nachführen des Seils gelingt - bedingt durch schwindende Kräfte im rechten Arm - zusehends schlechter.
Die ersten Gedanken an die Wiederaufstieg drücken die Stimmung. Doch dann:
Wandverlust. Die Wand, an der entlang man sich nun drei Minuten lang hinabgekämpft hat, ist weg.
Frei hängend und ca. 20 Meter weiter unten ist NICHTS mehr zu erkennen. Keine Wand, keine Decke, kein Boden. Das Herz rast. Der Arm schmerzt. Der Petzl Stop verbreitet den Geruch von mehrere hundert Grad heissen Metalls und schürt die Angst, er könne das Seil schmelzen, wenn jetzt die längst überfällige Pause eingeleitet werden würde.
Der Gedanke an den Wiederaufstieg ist ersatzlos von dem Gedanken verdrängt worden, wie schön es denn jetzt wäre, den Boden, oder selbst nur einen anderen CaveSeeker, sehen zu können.
Die Perestaltik setzt aus. Volle Konzentration auf das - glücklicherweise in strahlendem weiss gehaltene - Seil direkt vor den Augen. Nach weiteren Minuten des Schreckens, dringt die Stimme Herrn Kreils ins Bewußtsein vor. Ein Blick nach unten offenbart kleine tanzende Lichtlein in weiter Ferne. Nur noch 20 Meter. Dann wird ein gelber Schleifsack sichtbar. Der Anblick dieses Schleifsacks wird nicht wieder vergessen - als ersten Hinweis auf die Existenz von festen Boden in der Noel.
Mit allerletzten Kräften wird dieser dann in einem Zustand erreicht, der bisher nur nach 80 Meter aufseilen erreicht wurde: völlig am Ende.
Die offizielle Ernennung des Pausenbeauftragten ist die erste Aktivität, die am Höhlenboden wieder in einigermaßen gesetzten Zustand durchgeführt wird. Herrn Lanig wurde die Macht übertragen, jederzeit einen vollständigen Stopp durchzusetzen - spätestens jedoch alle zwei Stunden.
Der 15kilo-Schleifsack, welcher Herrn Kreil im ersten 40 Meter Schacht der Höhle - aufgrund akkumulierter Inkompetenz aller Beteiligten - beinahe zum Verhängnis wurde, war noch einmal kurz Gesprächsthema - und dann rief der Pausenbeauftragte den längst überfälligen Angriff aufs Loch aus.
Also schreitet man voran. Ohne Komplikationen der Art "Bücken" oder gar "Schlufen" fallen die Meter in Sekundentakt - dem Einsatz des vollen Blitzwerkes zum Trotz.
Die im Zweistundentakt eingelegten Pausen fühlen sich ziemlich unnötig an, aber beim Aufstieg werden sie sich bezahlt machen. Zumindest für einige.
Die vorgefundenen Excentrics sprengen alle bisher bekannten Skalen. Ebenso deren Unberührtheit. Aber nicht nur in den eher kleinen Details überzeugt das Loch. Hin und wieder behindern Sinterformen den Blick auf das nackte Gestein, deren Grösse beinahe Adelsberger Dimensionen annehmen.
Viele Stunden später - wieder am Ende des Seils angekommen - kann der nahende Aufstieg nicht länger verdrängt werden. Chefarzt Z. schwingt sich als Erster nach oben. Der Rest hat nun ausgiebig Zeit, das Material zu sortieren, die Schleifsäcke ungünstig am eigenen Fallgurt anzubringen, und die letzten Reste aus den Flaschen zu lassen. Jedes Gramm zählt.
Während des mehrere Stunden dauernden Aufstieg des Herrn L. wird am Boden weiter am Gewicht optimiert. Daher auch der .
Zwöf Stunden später - die Sonne scheint und Feuer aus automatischen Gewehren ist zu hören - springt der Leihopel an. Abfahrt in Richtung Leihbett.