Am Vorabend des 4.4. wurden nicht nur Polarlichter fotografiert, sondern auch der Beschluss gefasst, die Höhlen im Gullborgarhraun heimzusuchen. Zu viel Verführerisches wussten die Reiseführer feilzubieten. Da dieses Unterfangen ungefähr diametral der eigentlichen Reiserichtung angelegt war, bedurfte es noch einiger Überzeugungsarbeit an Herrn Seeleitner.
Die Unterkunft Ensku Husin sei an dieser Stelle lobend erwähnt. Neben exzellentem Essen und äußerst freundlicher Aufnahme durch die jungen Wirtsleute stand nutzbares WLAN zur Verfügung, so dass noch einige Texte zu den Höhlen und gutgemeinte Ratschläge zur Anreise studiert werden konnten. Die Informationslage ist aber allgemein als mager zu beschreiben.
Nach einem herzhaften Frühstück in der Wikingerbude ging es auf kürzestem Weg auf die Schotterpiste 55. Die Straßenverhältnisse waren sehr gut und so heizte man mit fast dreistelliger Geschwindigkeit durchs Tal. Das Schild "Gullborgarhellar" wurde wieder zu spät entdeckt, im Rückwärtsgang näherte man sich erneut dem Schild. Dort: Ernüchterung. Das Schild wies mitten ins Nichts, keine Wege waren auszumachen, keine Parkmöglichkeit. Als hätte es jemand dorthin gestellt, um ahnungslose Touristen in den sicheren Tod zu schicken.
Das Garmin war aber ebenfalls der Meinung, dass man sich in etwa im Zielgebiet befinden dürfte, näher an das Lavafeld würde man motorisiert nicht kommen. Kurz zuvor war man an einer Parkbucht vorbeigeschossen und erkor dieses Fleckchen stabiler Erde kurzerhand zum Stützpunkt. Das Wenden des Fahrzeugs erwies sich wegen des nachgiebigen Untergrunds jenseits der ca. einspurigen Piste als nicht ganz einfach, konnte aber in rund 78 Zügen bewältigt werden.
Diesmal waren zwei Stirnlampen am Start und sogar die guten Würth-Handschuhe, dazu ein einige zuckerhaltige Nahrungsmittel. Furchtlos schlug man sich gen Westen durch den weichen Boden. Für ein paar Meter meinte man oftmals einen Trampelpfad ausmachen zu können, der dann aber wieder verschwand. So waren die schlecht erkennbaren Steinmännchen das einzige Indiz, dass man sich hier nicht komplett zum Horst machen würde.
Auf dem Weg passierte man gewaltige Spalten,
mehrere Einbrüche und Dolinen, glatte Felsplatten, unwegsame Lavagebilde, ein großes
ebenes Feld aus Treibsand und je näher man sich dem alten Krater näherte, umso höher
türmten sich die Auswürfe auf und Herr Seeleitner musste sogar desöfteren die Hände
aus den Hosentaschen nehmen. Alte Schneefelder vereinfachten die Situation nicht
unbedingt.
Kurz bevor man sich die Sinnfrage bereits außerhalb
des Hohlraums stellte, zeigten sich erste frontgrabenähnliche Lavaröhren, deren Decken
eingestürzt waren. An deren Wänden konnten bereits farbenfrohe Verzierungen in Flussrichtung
der Lava ausgemacht werden, kleine Stalaktiten und Stalagmiten waren erkennbar, so
dass die Stimmung sofort auf ein ungeahntes Niveau stieg. Andere Gänge und Überlagerungen
wurden bekrochen, aber allesamt zu eng und wenig einladend.
Schließlich erreichte man einen Einsturzkrater
von 6-8m Durchmesser, den man an seiner Westseite durch Verbruch abklettern konnte.
Die verheißungsvolle Dunkelheit von langen und großräumigen Gängen war bereits von
oben erkennbar. Nichts wie rein. Vorher aber noch ein wenig starren. Wegen der Sicherheit.
In der Mitte des Kraters fand sich nur Blockwerk, am Rand hingegen hatte Tropfwasser in den kalten Monaten zuvor schöne Eisskulpturen aufgebaut.
Dahinter dann Trockenheit und zunächst ein spannendes
Gangprofil. Nicht wie erwartet ein röhrenähnliches rundes Profil, mehr einem Trogtal
gleich zeigt sich der Boden flach und breit, die Wände ziehen schräg und fast ohne
jede Krümmung zur Decke und bilden einen spitzen Giebel. Nach wenigen Dutzend Metern
verrunden sich Wände und Decke immer mehr, lediglich der breite Boden bleibt erhalten.
Rotes Gestein dominiert die Farbgebung, an den Wänden können Schichten in anderen
Farben ausgemacht werden und besonders herabgestürztes Blockwerk von der Decke glänzt
- glatt poliert durch den Lavafluss - in den schillerndsten Farben. Neben Gelb, Grün,
Orange, Schwarz, Rot, Lila und Brauntönen können auch silbrigglänzende und weiße
Gesteine entdeckt werden, lediglich der blauton-affine CaveSeeker muss hier mit Einbußen
rechnen.
Der Boden zeigte sich meist recht aufgeräumt, gelegentlich
musste Blockwerk überstiegen werden. Insgesamt konnte der Vortrieb somit zügig durchgeführt
werden und hin und wieder musste sofort ein Foto gemacht werden, obwohl dies in alter
CaveSeekers-Manier erst für den Rückzug angedacht war. Der Gang wurde allmählich
immer enger, ab und zu unterbrachen große Kammern die Monotonie. Eine dieser Kammern
hätte selbst beim phantasielosesten Tropfsteinformationsnamenerfinder nur eine Deutung
zugelassen: zwei schöne Runde Backen mit 2m Durchmesser hingen von der Decke, genau
in der Mitte ein annähernd senkrechter Schlot, der möglicherweise bis an die Oberfläche
führt und dort in seiner aktiven Zeit Gase und Magma ausge...spien hat.
Die verstrichene Zeit, die zunehmende Enge und größerwerdene
Entfernung vom Eingang, welcher selbst maximal von jeglicher Zivilisation entfernt
ist, läutete alsbald den Heimweg ein, zudem musste ja noch einiges abgelichtet werden.
Auf offener Strecke umzukehren ist zwar keine leichte Entscheidung, besonders wenn
es mit jedem Meter noch schöner wird, aber doch manchmal sinnvoll. Kurz vor dem Ausgang
dann das angekündigte Desaster - alle Akkus leer. Sowohl in den Blitzen als auch
menschlich. Mit ein wenig gutem Zureden ließen sich alle Beteiligten noch zu einem
Foto der im Sonnenlicht dampfenden Eisskulpturen bewegen - dann war Sense.
Der Rückweg zum Mobil gestaltete sich aufgrund des
Vorwissens ein wenig linearer, das Treibsandbecken musste aber trotzdem durchquert
werden. Bei jedem Schritt rieselten Steinchen über den Rand der Bergschuhe und je
mehr man sich bewegte, um so tiefer versank man im steinhart aussehenden Boden.
Fazit : Voller Erfolg. Auch wenn man die angeblich schönste Höhle der Region nur um wenige Meter verpasst hatte, war das Gesehene schon jegliche Mühe wert. Empfehlung!