"Moment! Lass' mich kurz überlegen, ob es irgend etwas gibt, was mich weniger interessiert als Fledermäuse." Kurze Pause. Dann die Antwort: " Nein."
So viel zu einem der zahlreichen wirklich wichtigen Monologe im Loch.
Nach einer äußerst unruhigen Nacht ohne Waffen
bei 5 Grad im Ein-Mann-Zelt - ständig bedroht von frei im Wald umherlaufenden wilden
Bären - stand Generaldirektor Wipplinger unsicher, blass und von der Kälte gezeichnet
vor der Höhle und überlegte, ob er die morgendliche
nun
vor dem Höhlengang, während diesem, oder erst nach
diesem
sollte. Verschiedene Szenarien wurden durchgespielt,
als - viel zu früh - der Führer am Loch erschien und umgehend zu
führen begann. Zunächst zum Scheißhaus.
Ein paar Stunden zu spät erfuhr man dann, dass sich ausschließlich der junge Bär vor dem Loch herumtreibt - und das auch nur um die Mülltonne zu öffnen. Nicht etwa den CaveSeeker. Nur alte Wurstbrote und verfaulte Äpfel statt warmer Lunge, Leber oder Darm sind ihr Ziel. Das adulte Tier hingegen sieht sich vor dem Loch - trotz dieser Delikatessen - ohne Fluchtmöglichkeit und bleibt daher lieber fern.
Im Leihschlaz ging es dann nach scheinbar nicht
enden wollenden Schilderungen der Pracht, der Herrlichkeit und der unfassbaren Länge
der Hessenhauhöhle - natürlich unter Vernachlässigung des unmaßgeblichen
Faktes "Hessenhauhöhle entwässert die Kläranlage Laichingen" - endlich
ins Loch. Leider wurde während dieses Gesprächs im Vorfeld bereits festgestellt,
dass Proteus anguinus seit über 50 Jahren in der Kreuzberghöhle nicht mehr vorkommt.
Die vermutete Ursache ist die gestiegene Belastung der durch die Höhle fließenden
Gewässer. Die kurzzeitig angedachte Umsiedlungsaktion der bedrohten Spezies nach
Schwaben musste daher verworfen werden: Keine Überlebenschance!
Innovation am Rande : Der Leihschlaz brillierte mit kurz unter dem Knie abgeschnittenen Hosenbeinen. Dies erleichtert das Ankleiden noch mehr als die erst kürzlich erdachte "Stiefel zuerst"-Technik und hat auch nach längerem Nachdenken keinerlei Nachteile für den Gummistiefelträger. Kein Wunder, dass manche Slowenen dem Deutschen völlig zu Recht den Ehrentitel "Best Cavers of the World" verleihen - kommt doch der Deutsche stets mit am oberen Ende sauberen Stiefeln aus dem Loch.
Nach wenigen Metern im Nicht-Kleinkinder-Bereich
(welcher die vorderen 500 Meter der Höhle ausmacht), fiel Herrn Konopac - als altem
Krizna-Veteranen - auf, dass die Höhle sich genauso unberührt präsentierte, wie bei
seiner ersten Befahrung vor grob 100 Jahren - und dies trotz hohem Befahrungsdruck.
Ein Umstand, der ohne Zweifel der pedantischen Aufmerksamkeit der Höhlenführer geschuldet
ist, die jeden Fehltritt bemerken und mit
Worten kommentieren.
Besonders
steigerte sich von einem "Bad Move"
- aufgrund seines Gewichtsproblems - hin zum "Very Bad Move" mit
einer unbedachten Bewegung des Paddels. Jeder Schritt wurde sehr genau verfolgt und
exakt einzuhaltende Anweisungen gegeben: "Ladies first", sowie in der Sprache der
Finanzwirtschaft: "First in, first out" oder "Last in, first out", auch in jeder
Variante und umgekehrt. Ein zwei Zentimeter zu kurz gesprungener, ängstlicher Schritt
des
aus dem Boot führte zur berechtigten Anmerkung "This
was not the top!". Mit geballter Faust im Schleifsack ging es weiter.
Die Beobachtung dieser doch zunächst äußerst übertrieben
wirkenden Hohlraumschutzmaßnahmen führte bei Herrn Wipplinger zu folgender längst
überfälligen Erkenntnis: Er begriff nach vielen Jahren des Selbstzweifels, warum
gerade er nicht in der Mühlbachquell- und/oder Hessenhauhöhle fotografieren
dürfe - immerhin Objekte welche im Ansatz vergleichbar mit der Pracht der Kreuzberghöhle
sein sollen. Laut sinnierte er, dass ja dann für Jedermann zu sehen wäre, in welchem
- vermutlich - jämmerlichen Zustand sich diese Löcher nach jahrelangem intensiven
Forschungsdruck befänden.
Herr Konopac kommentierte diese Gedanken nicht -
, liegt doch
die
Ursache eher in dem Wunsch
der zuständigen Vereine, selbst über Veröffentlichungen zu entscheiden. Es blieb
festzuhalten: Der Schutz der Kreuzberghöhle funktioniert perfekt - durchaus
vorbildlich. Kaum Ranzenschliff. Nirgends. Auch nicht unter Wasser.
Hohlraumbezogene Erläuterungen des Führers
lockerten ab und an die von ständiger Angst vor Fehltritten geprägte angespannte
Stimmung ein wenig auf: Der letzte Hochwasserstand, die Strömungsrichtung des Höhlenwindes
und des Wassers, eine neue Höhlenbärenart - größer als Ursus spelaeus -, Hinweise
zum Wachstum der Formationen über und unter Wasser, Unterschiede von weichen und
harten Kristallen, die Lösung des Kalkes durch Luftfeuchtigkeit, Hinweis auf Würmer
- die bis zu 25cm lang werden können sollen, bei einem Querschnitt von einem Zeigefinger
-
mit Farbwechsel und viele
Informationen mehr. Und ein Verweis zur Konkurrenz: In den Adelsberger Grotten gäbe
es heute exakt 100 verschiedene Tierarten, oft einzigartig.
Und wieder kann man im Loch einem Monolog lauschen: "Moment! Lass' mich kurz überlegen, ob es irgend etwas gibt, was mich weniger interessiert als farbloses Gewürm in Höhlen." Kurze Pause. Dann die Antwort: " Nein."
Dennoch probierte sich Herr Wipplinger gelangweilt
an der Asselfotografie. Doch der Funke Assel wollte nicht so richtig auf Herrn Wipplinger
überspringen - so dass das Aufgabengebiet "CaveSeeker-Biospeläologe" weiterhin vakant
bleibt. Vermutlich für
. Trotzdem - und immerhin - entstanden weitere
Bilder von
interessanter Höhlenfauna. Erst kürzlich hatte
die ESA auf Sardinen mit ähnlichen Asselbildern einen unerwarteten Erfolg feiern
können. Das Ziel muss eine Zeitungstitelzeile sein: "CaveSeekers entdecken
Gewürm in bisher unbekannter Höhle".
Gegen Ende der Befahrung wurde die Schlagzahl erheblich erhöht. Das Boot musste um 16 Uhr zurück am Siphon sein - warum auch immer. Blöd nur, dass dem Führer dies ausgerechnet am tagfernsten Punkt einfiel. Also besann er sich der an uns belächelten deutschen Tugende n: Keine Pause - Keine Nahrung - Keine Getränke . Geht schon Mal, wenn eine Gewaltaktion nur 8 Stunden dauert.
Das beständige Umsetzen des Bootes wurde zur Routine.
Unter sechs wohlwollend blickenden Augen wurde nun der Führer beobachtet,
wie er gänzlich auf sich allein gestellt, das Umsetzen des Bootes beständig schneller
erledigte - ebenfalls ohne Pause, Nahrung oder Getränk. So war man nach exakt 7:37
Stunden zurück - quasi im Plan.
Kurz vorher kam es im Siphon sogar zum einzigen Lob des Tages: Ohne die Geschwindigkeit zu verringern wurde die maximal 50cm hohe Engstelle im Boot unfallfrei bei voller Fahrt überwunden - auch wenn es beinahe den besonders schwer behelmten Kopf Herrn Konopacs gekostet hätte.
Fazit: Keine Bären im Loch, der Besuch lohnt.